Traumatische Hirnverletzungen

Traumatische Hirnverletzungen (TBI) sind weit verbreitet und mit hohen Kosten für die Gesellschaft und den Einzelnen verbunden. Die Diagnose eines Schädel-Hirn-Traumas ist eine klinische Entscheidung, aber die Bildgebung, insbesondere die Computertomographie, spielt eine Schlüsselrolle bei der diagnostischen Aufarbeitung, Klassifizierung, Prognose und Nachsorge.

Sie lassen sich grob in geschlossene und penetrierende Kopfverletzungen einteilen4:

  • geschlossene Kopfverletzungen
    • überwiegend stumpfes Trauma: Kfz-Kollision, Körperverletzung, Sport, Industrie-/Arbeitsunfälle usw.
    • Stoßverletzungen
    • nicht unfallbedingte Verletzungen bei Kindern
  • durchdringende Kopfverletzungen
    • durchdringende Hirnverletzungen mit hoher Geschwindigkeit, z.B. Schussverletzungen
    • durchdringende Hirnverletzungen mit niedriger Geschwindigkeit, z.B. Messerstiche

Der Rest dieses Artikels konzentriert sich auf geschlossene Kopfverletzungen.

Epidemiologie

Traumatische Hirnverletzungen treten häufiger bei jungen Patienten auf, und Männer machen die Mehrheit (75 %) der Fälle aus 4. Obwohl Sport eine häufige Ursache für relativ leichte wiederholte Kopfverletzungen ist, die möglicherweise zu einer chronischen traumatischen Enzephalopathie führen können, sind schwerere Verletzungen am häufigsten auf Kraftfahrzeugunfälle und Überfälle zurückzuführen.

Klinische Präsentation

Die Patienten präsentieren sich typischerweise mit einer Kombination aus reduzierter Glasgow Coma Scale (GCS), Übelkeit/Erbrechen und/oder Amnesie 3. Die Schwere der Verletzung kann mit GCS 4 bewertet werden:

  • Mildes Schädel-Hirn-Trauma (TBI): GCS 14-15
  • Moderate TBI: GCS 9-13
  • Schwere Schädel-Hirn-Verletzung: GCS 3-8

Diese Skala ist nur bedingt aussagekräftig, da es auch andere Ursachen für eine verminderte GCS bei Traumata gibt (Alkohol, Drogen, Krampfanfälle usw.).

Der Begriff Gehirnerschütterung bezieht sich auf eine klinische Diagnose, die sich mit dem milden Ende des Spektrums traumatischer Hirnverletzungen überschneidet, und wird gewöhnlich in Bezug auf eine vorübergehende Hirnverletzung verwendet 8.

Die möglichen Langzeitfolgen wiederholter traumatischer Hirnverletzungen sind ein aktuelles Forschungsgebiet. Die chronische traumatische Enzephalopathie beschreibt eine Neurodegeneration, die mit wiederholten Kopfverletzungen einhergeht und mikroskopisch durch eine Anhäufung von hyperphosphoryliertem Tau in Neuronen gekennzeichnet ist.

Pathologie

In der akuten Situation können Patienten eine primäre Hirnschädigung aufweisen 4:

  • traumatische Subarachnoidalblutung (tSAH)
  • subdurales Hämatom (SDH)
  • extradurales Hämatom (EDH)
  • intraventrikuläre Hämorrhagie
  • zerebrale hämorrhagische Kontusion
    • intermediäre Schädigung
  • diffuse axonale Schädigung (DAI)

Sekundärschäden des Gehirns können ebenfalls auftreten und manifestieren sich als 4:

  • generalisiertes Hirnödem
  • hypoxisch-ischämisches Hirntrauma
  • ischämischer Schlaganfall durch traumatische arterielle Dissektion
  • „großes schwarzes Gehirn“

Langzeitfolgen des Kopftraumas sind u.a.:

  • Enzephalomalazie/Gliose
  • chronische subdurale Hämatome / Liquorhygrome
  • chronische traumatische Enzephalopathie
  • Depression, Angstzustände und Alkoholexzesse 5
  • erhöhtes Risiko für Schizophrenie, bipolare Störung und organische psychische Störungen 6
Komplikationen

Schwere Masseneffekte können sein:

  • Mittellinienverschiebung: assoziiert mit schlechterer Prognose
  • Zerebralhernie: erfordert oft dringende Behandlung
  • Hydrozephalus: kann auch eine chronische, nicht massebedingte Komplikation sein
Assoziationen

Weitere traumatische Verletzungen sind häufig:

  • Halswirbelsäulenverletzung: Patienten mit einem GCS <8 sind am stärksten gefährdet 7
  • Schädelfraktur
  • Gesichtsfraktur
  • Pneumozephalus
  • extrakranielle Verletzungen in 35 % 4

Indikationen für die Bildgebung

Die Entscheidung, ob bei einem Kopftrauma eine Bildgebung durchgeführt werden soll, hängt von mehreren Faktoren ab, u. a. von den Leitlinien der örtlichen Abteilung und dem Zugang zur Bildgebung. Es gibt verschiedene klinische Instrumente, die bei der Auswahl von Patienten helfen, die eine akute neurologische Bildgebung benötigen, darunter die Canadian Head CT Rule, die National Emergency X-Radiography Utilization Study II (NEXUS-II) Kriterien und die American College of Radiology Appropriateness Criteria for head trauma.

Potenzielle Indikationen für die Durchführung einer CT in der Akutsituation bei Patienten mit Gehirnerschütterung (zum Ausschluss schwerwiegenderer Formen traumatischer Hirnverletzungen wie intrakranieller Blutungen) können folgende sein: Bewusstseinsverlust, posttraumatische Amnesie, anhaltend veränderter mentaler Status, fokale Neurologie, Anzeichen von Schädelfrakturen oder Anzeichen einer klinischen Verschlechterung 8.

Radiologische Merkmale

  • Schädelfrakturen
    • können mit Einrissen der darunter liegenden Hirnhaut und extraaxialen Blutungen einhergehen
    • Frakturen der vorderen Schädelgrube sind häufig mit Liquorausfluss verbunden
    • Frakturen, die den Sinus duralis oder den Bulbus jugularis durchqueren, sind häufig mit Verletzungen der venösen Strukturen verbunden (z. B. Kompression durch ein extraaxiales Hämatom und/oder eine Thrombose)
  • extradurales Hämatom
  • subdurales Hämatom (SDH)
    • gemischte Abschwächung SDH sind nicht notwendigerweise akut oder chronisch; andere Ursachen für hypoabschwächende Anteile von subduralen Hämatomen sind hyperakute Blutungen und nicht geronnene chronische Blutprodukte (insbesondere bei Patienten mit Koagulopathie) 8.
  • Subdurales Hygrom
    • verursacht durch Einreißen der Arachnoidea mit Liquoransammlung im Subduralraum.
    • kann am ersten Tag nach dem Trauma auftreten, aber die mittlere Zeit bis zum Auftreten beträgt 9 Tage nach der Verletzung 8.
  • traumatische SAB
    • gewöhnlich kleinvolumige sulcalische SAB, die am Ort des Aufpralls (Coup) oder gegenüber dem Ort des Aufpralls (Contrecoup) auftritt.
    • mittellinienförmige traumatische SAB in der interhemisphärischen Fissur oder den perimesencephalen Zisternen kann ein Marker für eine diffuse axonale Verletzung sein. Eine SAB in den interpedunculären Zisternen kann auf eine Hirnstammverletzung hinweisen.
    • Eine isolierte SAB in den basilären Zisternen kann eine Untersuchung auf ein zugrundeliegendes vaskuläres Aneurysma erforderlich machen.
  • Intraventrikuläre Blutungen
    • können im Rahmen eines Traumas durch eine gerissene subependymale Vene, eine Ausdehnung einer intraparenchymalen Blutung oder eine retrograde Verteilung aus dem Subarachnoidalraum auftreten.
  • Hirnprellung
    • häufig an den unteren Frontallappen und den vorderen-unteren Temporallappen aufgrund der geriffelten Morphologie der inneren Tafel.
  • Axonale Verletzung
    • entsteht durch axonale Dehnung oder Scherbelastung, die gewöhnlich organisierte Bahnen der weißen Substanz (z.z. B. Corpus callosum, innere Kapsel, dorsales Mittelhirn oder Pons) oder die Grenzfläche zwischen grauer und weißer Substanz (vor allem in den Frontallappen).
    • Im MRT empfindlicher zu erkennen. Kann mit eingeschränkter Diffusion verbunden sein. Die Bildgebung unterschätzt oft das volle Ausmaß der vorhandenen axonalen Schädigung
    • kann hämorrhagisch oder nicht-hämorrhagisch sein.
    • Grad 1: betrifft die subkortikale weiße Substanz
    • Grad 2: betrifft das Corpus callosum
    • Grad 3: betrifft den Hirnstamm
    • thalamische Läsionen sind nicht im Klassifizierungssystem enthalten, sind aber mit einer schlechten Prognose verbunden, wenn sie vorhanden sind 8.

  • Diffuses Hirnödem
    • , von dem angenommen wird, dass es mit einer gestörten zerebralen Autoregulation oder einer Störung der Blut-Hirn-Schranke zusammenhängt; sowohl vasogene als auch zytotoxische Ödeme können auftreten.
  • Gefäßverletzungen
    • Arteriendissektion (insbesondere im Zusammenhang mit Schädelbasisfrakturen)
    • Pseudoaneurysma (am häufigsten mit Beteiligung der Arteria vertebralis oder der Arteria cerebri anterior)
    • Extrvasation
    • Gefäßverschluss
    • traumatische Karotis-kavernöse Fistel
    • traumatische durale arteriovenöse Fistel
    • venöse Thrombose (vor allem, wenn eine Fraktur den duralen Venensinus durchquert)
  • zweite Hirnverletzungen und Herniation
    • subfalcine Herniation, transtentorielle Herniation (ein- oder beidseitig, abwärts oder aufsteigend), Kleinhirntonsillenherniation
    • verschiedene Herniationsmuster können auch zu einer ventrikulären Einklemmung führen
  • CT

    CT ist das Arbeitspferd der Bildgebung bei TBI, insbesondere in der Akutsituation, und kann die Mehrzahl der Verletzungen zum Zeitpunkt der Vorstellung identifizieren. Häufig liegen mehrere Verletzungen gleichzeitig vor, wie z. B. die Kombination von Hirnprellungen und traumatischen Subarachnoidal-, Subdural- und Extraduralblutungen sowie Schädel- und Gesichtsfrakturen – diese werden gesondert behandelt. Zu den Vorteilen der CT in der Akutsituation gegenüber der MRT gehören eine höhere Sensitivität bei der Erkennung von Frakturen, Gefäßverletzungen und Liquorlecks sowie die Tatsache, dass die Sicherheit der MRT nicht geprüft werden muss (insbesondere bei penetrierenden Verletzungen).

    Die MRT kann auch zur formalen Klassifizierung des Verletzungsgrades anhand einer formalen Skala (z. B. Marshall-Klassifikation oder Rotterdam-CT-Score) verwendet werden.

    MRT

    Die MRT spielt eine ergänzende Rolle, insbesondere bei der Bewertung von Patienten, deren klinischer Zustand nicht mit den CT-Befunden übereinstimmt (dies kann bei DAI häufig der Fall sein) 1,2. Die MRT hat eine erhöhte Sensitivität bei der Erkennung von Blutprodukten (SAH, EDH, SDH und hämorrhagischen Kontusionen), nicht hämorrhagischen kortikalen Kontusionen, Hirnstammverletzungen und axonalen Verletzungen 8. Es gibt Anhaltspunkte für den Einsatz der MRT bei unauffälligem CT, wenn anhaltende unerklärliche neurologische Befunde vorliegen und der Verdacht auf eine klinisch traumatische Hirnverletzung besteht. Bei subakuten oder chronischen traumatischen Hirnverletzungen mit neurologischen Symptomen ist die MRT aufgrund ihrer höheren Sensitivität das bevorzugte bildgebende Verfahren 8. Zu den bildgebenden Befunden siehe die entsprechenden Artikel.

    Behandlung und Prognose

    Große Hämatome mit signifikantem Masseneffekt müssen dringend neurochirurgisch entfernt werden. Es kann sich ein Hydrozephalus entwickeln, der eine dringende ventrikuläre Drainage erforderlich machen kann. Das Anlegen eines intrakraniellen Druckmonitors (ICP) ist ein gängiges Verfahren, das bei der Beurteilung einer schweren Schädel-Hirn-Trauma hilft.

    Eine kontinuierliche Nachuntersuchung mit CT ist häufig erforderlich. Bei Patienten mit diffusen Verletzungen entwickeln ~15 % neue Läsionen, und ~35 % (Bereich 25-45 %) der Hirnprellungen nehmen an Größe zu, wobei davon ausgegangen wird, dass eine Progression typischerweise 6-9 Stunden nach der Verletzung eintritt 4.

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